Die Kontrolle über das Spielen wiedererlangen
Thomas hängt im Stau fest. Er ist nervös – und das nicht nur, weil der Verkehr so langsam fließt: Er hat sich vorgenommen, heute nicht in die Spielhalle zu fahren. Gleichzeitig drängt es ihn aber genau dorthin. Er wettet mit sich selbst: „Wenn die Ampel in den nächsten fünf Sekunden auf grün springt, fahre ich nach Hause. Falls es länger dauert, gehe ich spielen“.
Spielen oder nicht? Das Schicksal ist ein schlechter Ratgeber
Typisch für einen Glücksspieler (bzw. eine Glücksspielerin) werden nun viele denken: auf ein mehr oder weniger zufälliges Ereignis setzen, anstatt sich direkt für die „vernünftigere“ Alternative zu entscheiden. Und tatsächlich berichten Spielerinnen und Spieler des Öfteren über Versuche, das „Schicksal“ darüber entscheiden zu lassen, ob sie weiterspielen sollen oder nicht. In der Regel sind diese Versuche zum Scheitern verurteilt, denn selbst wenn die (selbst gewählten) Zeichen auf „Nicht spielen“ stehen, bedeutet das noch lange nicht, dass tatsächlich die Spielhalle gemieden wird. Vielmehr wird in solchen Fällen das „gedankliche Abkommen“ häufig einfach wiederholt. Zum Teil so lange, bis die Entscheidung zugunsten des Spielens ausfällt – zu stark ist der Sog des Spielens und zu wenig effektiv sind die Strategien zur Selbstkontrolle.
Die Spiel-Impulse managen
Glücksspiele hinterlassen Spuren im Gehirn. Je länger jemand gespielt hat, umso tiefer sind diese Spuren und umso hartnäckiger und schwerer steuerbar ist das Verlangen zu spielen. Menschen, die sich dazu entschließen, nicht mehr (oder seltener) zu spielen, müssen sich diesem Verlangen stellen und ihre Spiel-Impulse „managen“. Diese treten vermehrt in genau jenen Situationen und Stimmungen auf, in denen vormals gespielt wurde: zum Beispiel nach der Arbeit oder in der Mittagspause, bei Frustration im Job oder Ärger zu Hause oder auch bei Langeweile.
Erster Schritt zu mehr Selbstkontrolle: die persönlichen Trigger kennenlernen
Diese mit dem Spielen verknüpften Situationen, Stimmungen und auch Orte werden mit der Zeit zu „Triggern“ (Auslösereize) für das Verlangen zu spielen. Fachleute sprechen auch von „Konditionierung“. Ihre Empfehlung lautet: Machen Sie sich zunächst Ihre ganz persönlichen Trigger bewusst. Am besten schreiben Sie sich die Situationen, Stimmungen und Orte auf, die Sie mit Gedanken an das Spielen verbinden: Wo und wann treten diese (besonders stark) auf? Die eigenen Auslösereize zu erkennen, ist der erste Schritt zur wiedererlangten Kontrolle über das Spielen.
Zweiter Schritt: Gegenstrategien entwickeln
Der zweite Schritt besteht darin, auf diese Reize nicht – wie bisher – automatisiert zu reagieren (also zu spielen), sondern bewusst eine passende Gegenstrategie einzusetzen.
Eine Möglichkeit ist zum Beispiel, sich abzulenken und eine Aktivität auszuüben, die mit dem Spielen möglichst unvereinbar ist, zum Beispiel eine vertraute Person anzurufen oder Sport zu machen. Ebenso hilfreich kann es sein, die Situation, in der das Spielverlangen auftritt, möglichst sofort zu verlassen. Oder besser noch: es gar nicht erst zu der Situation kommen lassen, etwa indem man seinen Tagesablauf anders plant als früher: zum Beispiel andere Orte aufsucht und Zeit bewusst mit Menschen verbringt, die nichts mit Glücksspielen zu tun haben.
Heute bleibe ich spielfrei
Jeder Tag, an dem nicht gespielt wird, ist ein guter Tag und es wird mit der Zeit immer leichter, die Spielimpulse zu kontrollieren – in etwa wie bei einem (langen) Hürdenlauf, bei dem die Hürden mit der Zeit kleiner werden und in größeren Abständen auftreten. Weil die ganze Strecke, die man vor sich hat, jedoch oftmals erdrückend lang und die Vorstellung eines spielfreien Lebens kaum schaffbar erscheint, hilft es, sich jeden Tag und jede Hürde einzeln vorzunehmen. Nach dem Motto: Heute bleibe ich spielfrei und morgen ist ein neuer Tag. Ein Prinzip, das aus der Selbsthilfe bekannt ist: „Just for today“ (engl. für „Nur heute“, in diesem Fall: spielfrei bleiben). Und am nächsten Tag nimmt man sich das dann erneut vor – und ist wieder einen Tag weiter, so das Kalkül dieser Strategie.
Die Karte für den Notfall
Manchmal treten Spiel- Trigger geballt auf und öfters genau dann, wenn man sich nicht gerade stark fühlt. In solchen Fällen hilft eine sogenannte „Notfallkarte“, die man am besten stets bei sich führt, zum Beispiel im Portemonnaie. Darauf sollten mindestens drei persönliche Notfall-Strategien und zum Beispiel die Nummer der Helpline Glücksspielsucht stehen, falls vorhanden auch die Telefonnummer einer Therapeutin oder eines Therapeuten.
Passende Selbstkontroll-Strategien lassen sich übrigens auch gemeinsam mit professionellen Beraterinnen und Beratern in Suchtberatungsstellen sowie mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen in ganz Hamburg entwickeln.