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Frauen und Glücksspiele

Fast 100 Fachkräfte und Expert*innen haben am 17. November 2021 bei der Online-Jahrestagung von SUCHT.HAMBURG über „Genderfragen in (Post-)Corona-Zeiten“ diskutiert.

Die Pandemie als Krisenverstärker

„Mit dem Thema unserer Jahrestagung haben wir einen Nerv getroffen“ lautet denn auch das Resümee von Christiane Lieb, Geschäftsführerin von SUCHT.HAMBURG. „In Post-Corona-Zeiten befinden wir uns zwar aktuell noch nicht“, kommentierte sie in ihrem Grußwort. Dennoch lohne schon jetzt ein Blick darauf, wie sich die Corona-Pandemie auf das Suchtverhalten von Frauen, Männern und nicht-binären Menschen auswirkt.

Frau Dr. Lökenhoff von der ‚Landesfachstelle Frauen und Familie BELLA DONNA der Suchtkooperation NRW‘ kam in ihrem Vortrag zu dem Schluss, dass die Pandemie wie ein „Krisenverstärker“ wirkt, insbesondere für Frauen mit Suchtproblemen. Aber auch schon vor Beginn der Pandemie waren Frauen stärker von negativen Begleiterscheinungen von Sucht wie (sexueller) Gewalt betroffen. Es gilt, diesen Frauen konsequent den Rücken zu stärken, lautete der Tenor der anschließenden Diskussionsrunde. Ganz allgemein müsse es darum gehen, die Suchtarbeit geschlechtergerecht auszurichten.

In Hamburg wird die Diskussion über geschlechtsspezifische Bedürfnisse in der Suchtarbeit bereits seit einigen Jahren geführt. Das hat dazu geführt, dass sich gendersensibles Arbeiten in den Hamburger Suchthilfeeinrichtungen inzwischen etabliert hat. Bei der Tagung konnten Impulse zur Erweiterung und Vertiefung dieser Arbeit gegeben werden. Eine Tagungsdokumentation sowie die Videos der Vorträge stehen unter www.sucht-hamburg.de zur Verfügung.

In allen Altersgruppen: Frauen spielen seltener Glücksspiele

Auch beim Glücksspielverhalten zeigen sich zum Teil große Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Darauf wies bei der Tagung unter anderem Frau Dr. Monika Vogelgesang von der Medianklinik Münchwies hin. Ihre klinische Erfahrung wird durch wissenschaftliche Studien bestätigt.

So fand die Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zuletzt (2019) heraus, dass Männer insgesamt häufiger Glücksspiele spielen als Frauen. So gaben rund 44 Prozent der befragten Männer an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal an einem Glücksspiel teilgenommen haben. Bei Frauen liegt dieser Anteil mit knapp 31 Prozent deutlich niedriger. Dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern zeigte sich in allen Altersgruppen.

Männer spielen riskanter

Frauen spielen zudem in aller Regel nur ein Glücksspiel und nicht mehrere Glücksspielarten. Lediglich knapp 15 Prozent der befragten Frauen gaben an, im vergangenen Jahr mehr als eine Glücksspielart genutzt zu haben. Bei Männern liegt der Anteil der sogenannten „Mehrfachspielenden“ mit 24 Prozent deutlich höher. An dieser Stelle zeigte sich in der Studie auch ein Alterseffekt: Mit zunehmendem Alter steigt die Zahl der verschiedenen Glücksspiele, die genutzt werden.

Weiterhin fällt auf, dass Männer stärker zu besonders riskanten Glücksspielen neigen. So haben knapp fünf Prozent der erwachsenen Männer in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten (mindestens einmal) am Geldspielautomaten gespielt, bei Frauen liegt diese Quote bei etwa einem Prozent. Automatenspiele gelten unter Fachleuten als ein Glücksspiel mit besonders hohem Risikopotenzial.

Lotterien bei Frauen beliebt

Nahezu alle Glücksspielarten werden häufiger von Männern genutzt, mit Ausnahme von Lotterien: Frauen beteiligen sich (etwas) häufiger an Sofortlotterien und Soziallotterien. Beim Eurojackpot hingegen zeigt sich wieder das „klassische“ Verhältnis zwischen Männern und Frauen: Rund 14 Prozent der erwachsenen Männer in Deutschland haben sich in den vergangenen 12 Monaten vor der Befragung am Eurojackpot beteiligt. Bei Frauen liegt dieser Anteil mit etwa sieben Prozent nur halb so hoch. Der Eurojackpot zeichnet sich durch besonders hohe Gewinne aus und wird von Expert*innen als riskanter eingeschätzt als andere Lotteriearten.

Im Vergleich zu anderen Glücksspielen weisen Lotterien das insgesamt geringste Risikopotenzial auf. Das bestätigte sich auch in der BZgA-Studie. Das höchste Risiko, ein problematisches Glücksspielverhalten zu entwickeln, haben dagegen Personen, die Automaten- und Casinospiele spielen oder Sportwetten abschließen.

Männer zeigen häufiger entgrenztes Spielverhalten

Bei der Studie wurde auch erhoben, was Menschen dazu bewegt, sich an Glücksspielen zu beteiligen. Den Befragten wurden verschiedene „Motive des Glücksspiels“ vorgelegt, von „Geldgewinn“ bis „Spaß haben“. Es zeigte sich, dass für Frauen fast alle diese Motive eine geringere Bedeutung haben als für Männer. Lediglich das Motiv „Geldgewinn“ ist spielenden Frauen und Männern etwa gleich wichtig.

Frauen zeigen insgesamt seltener ein problematisches Glücksspielverhalten. Auch das ergeben die Zahlen der BZgA. 0,68 Prozent der erwachsenen Männer in Deutschland weisen demnach ein problematisches Spielverhalten auf, fast sieben Mal häufiger als Frauen (0,10 Prozent). Beim pathologischen Spielen ist das Verhältnis vergleichbar (Männer: 0,60 Prozent, Frauen: 0,08 Prozent). Passend dazu empfinden Männer die Beschäftigung mit Glücksspielen auch häufiger als belastend.

Glücksspielabhängige Frauen sind oft mehrfach belastet

Frauen steigen später im Leben in das Glücksspielen ein. Darauf wies Frau Dr. Vogelgesang von der Medianklinik Münchwies bei der Jahrestagung hin. Jene Frauen, die ein problematisches oder pathologisches Glücksspielverhalten entwickeln, sind häufig zusätzlich noch durch weitere Erkrankungen belastet und zudem häufiger traumatisiert.


Fazit: Frauen spielen seltener und weniger riskant als Männer und entwickeln insgesamt auch seltener ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten. Dabei sollte jedoch nicht aus dem Blick geraten, dass jene Frauen, die einen riskanten Umgang mit Glücksspielen entwickeln, häufig sehr stark belastet sind. Inwieweit sich die Corona-Pandemie auf die Lage dieser Frauen erschwerend auswirkt, lässt sich aktuell nur erahnen. Es bleibt wichtig, Frauen (und natürlich auch Männer) in Notlagen möglichst frühzeitig zu erreichen und ihnen passende Hilfe anzubieten. Einen Überblick über Hilfs- und Beratungsstellen in Hamburg finden Sie hier.

Wir wünschen allen Leser*innen unserer News erholsame Feiertage und einen guten Übergang ins neue Jahr.

Das Team von Automatisch Verloren

Quelle: Banz, M. (2019). GLÜCKSSPIELVERHALTEN UND GLÜCKSSPIELSUCHT IN DEUTSCHLAND. Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. doi: 10.17623/BZGA:225-GS-SY19-1.0

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