Neues aus der Glücksspiel(sucht)forschung
„Neues aus der Glücksspiel(sucht)forschung“ wurde kürzlich auf einer gleichnamigen Fachtagung an der Universität Hamburg präsentiert. Drei Themen standen im Vordergrund: „Sportwetten“, „Glücksspiel und Migration“ und „Social Gambling“. Namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentierten ihre Forschungsergebnisse, auch für Diskussionen gab es reichlich Gelegenheit. Eine Auswahl der neuen Erkenntnisse aus der Wissenschaft stellen wir Ihnen vor, am Ende des Textes gibt es dann noch einen Link, der direkt zu den Vorträgen der Fachtagung führt.
Sportwetten: Über 2 Milliarden alleine auf dem unregulierten Markt
Tobias Hayer machte in seinem Vortrag einen Streifzug durch Forschungsarbeiten zum Thema Sportwetten: ein gewaltiger Markt, insbesondere im sogenannten „nicht regulierten Bereich“. Damit sind alle Sportwettangebote gemeint, die in Deutschland nicht offiziell zugelassen sind. Der gesamte Bruttospielertrag (= Einsätze abzüglich der ausgezahlten Gewinne) unregulierter Sportwetten beträgt über 2 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 waren es schätzungsweise 2.270 Millionen Euro. Ein Markt, von dem zudem ein großer Werbedruck ausgeht – Anzeigen großer Anbieter lässt sich kaum aus dem Weg gehen.
Dass es sich bei einer Sportwette um ein Glücksspiel handelt und dass ihr Expertenwissen zum Beispiel über Fußball von vielen Menschen deutlich überschätzt wird, zeigte Tobias Hayer anhand der Ergebnisse eines Experiments. Laien, Amateure und sogenannte Experten schnitten bei der Vorhersage des Ausgangs der ersten zehn Spiele der Fußball-EM 2008 gleich gut ab. Die Trefferquote lag übrigens bei allen im Durchschnitt bei etwas unter fünf Spielen, was einem Verhältnis von 50 zu 50 entspricht. Auch die vermeintlichen Experten hatten also genauso oft Recht wie Unrecht.
Aber gerade der Glaube an das eigene Fachwissen in Sachen Sport macht Sportwetten zum riskanten Glücksspiel. Denn viele Spieler glauben, dass sie dadurch dem Zufall überlegen sind. Junge Menschen und Profisportler sind übrigens besonders häufig von Sportwettsucht betroffen.
Viele pathologische Spieler mit Migrationshintergrund
Menschen mit Migrationshintergrund haben überdurchschnittlich häufig Probleme mit Glücksspielen. Sven Buth vom ISD (Institut für interdisziplinäre Sucht-und Drogenforschung) hat eine Studie zu dem Thema vorgestellt, bei der sowohl Experten als auch Spieler befragt wurden.
Türkeistämmige Personen mit einem pathologischen Spielverhalten spielen demnach häufig, um Stress und Probleme zu bewältigen (zum Beispiel, um ihre Sorgen zu vergessen oder schlechter Stimmung zu entkommen). Oft nehmen sie keine professionelle Hilfe in Anspruch – vor allem, weil sie glauben, alleine mit ihren Problemen fertig zu werden und/oder weil sie sich nicht eingestehen wollen, Hilfe zu benötigen.
Als zweithäufigster Grund, sich nicht an eine Beratungsstelle oder etwas Vergleichbares zu wenden, wird die Angst genannt, dass man von anderen Menschen abgewertet wird, wenn offenkundig wird, dass man Probleme mit Glücksspielen hat.
Im Visier der Anbieter: Intensivspieler
Ingo Fiedler von der Universität Hamburg beschäftigte sich in seinem Vortrag mit dem Phänomen „Social Gam(bl)ing“. Dabei geht es um Videospiele („Games“), die traditionell nicht den Prinzipien eines Glücksspiels (Zufall, Einsatz, Gewinn) folgen – von denen es aber mittlerweile Varianten gibt, die Elemente von Glücksspielen aufweisen. So bestimmt bei manchen dieser Spiele der Zufall über den Verlauf oder es wird um (Spiel-)geld gespielt.
Ein Beispiel für Computerspiele, die den Spielern viel Geld aus der Tasche locken können, sind sogenannte „Pay2Win“-Spiele („Zahlen-um-zu-gewinnen-Spiele“): Das sind Spiele, die kostenfrei gespielt werden können. Um wirklich gute Ergebnisse zu erzielen oder eine Runde weiter zu kommen, ist dann jedoch ein Entgelt notwendig. Dadurch hat man eine Zeit lang Vorteile im Spiel – bis zum nächsten Ereignis, an dem man sich durch den Zukauf neuer Waffen oder Kräfte erneut einen Vorteil verschaffen kann bzw. muss.
Die wenigsten Kunden gehen auf dieses Angebot ein. Es gibt jedoch eine kleinere Gruppe von Spielern, die sich im Spiel verlieren und teilweise sogar mehr als 10.000 € pro Monat bezahlen. Verständlich, dass diese Spielergruppe für die Anbieter besonders interessant ist– und aus Sicht der Präventionsfachkräfte besonders gefährdet, eine Entwicklung zu nehmen, die der Karriere eines Glücksspielsüchtigen gleicht. Für Ingo Fiedler sind die „Pay2Win“-Spiele aufgrund der hohen Gefährdung für Intensivspieler und auch aufgrund ihres Geschäftsmodells eher Glücksspiele als reguläre Videospiele.
Weitere Ergebnisse aus der Glücksspiel (sucht)-Forschung können Sie unter folgendem Link abrufen: http://www.isd-hamburg.de/praesentationen.htm
Am 27. September 2017 findet der bundesweite Aktionstag gegen Glücksspielsucht statt. Diesmal werden wir uns im Schwerpunkt dem Thema „Angehörige“ widmen. Mehr dazu erfahren Sie in Kürze!