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Gendersensible Glücksspielberatung – ein Interview mit Laura Häffner

Gendersensible Glücksspielberatung – ein Interview mit Laura Häffner

Laura Häffner ist Diplom-Psychologin und ehemalige Mitarbeiterin bei der „Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS gGmbH“. Sie hat gemeinsam mit Kolleg*innen einen Methodenkoffer zum Thema „Gendersensible Glücksspielberatung“ entwickelt. Wir hatten Gelegenheit, ihr ein paar Fragen zu stellen.

Frau Häffner, Sie sind eine der Autor*innen eines Methodenkoffers, in dem es um „Gendersensible Glücksspielberatung“ geht. Wie sind Sie auf die Idee für Ihre Publikation gekommen?

Wir haben von glücksspielspezialisierten Suchtberatungsstellen die Rückmeldung bekommen, dass z.B. in geschlechtsheterogenen Gruppentherapien unterschiedliche Motive für das Glücksspielen genannt werden. Das war uns aus der Forschung auch schon bekannt. Aber eine aktuelle Übersichtsarbeit, die die bisherigen Erkenntnisse zu diesem Thema zusammenfasst, konnten wir nicht finden. Deswegen haben wir von der BAS zusammen mit Kolleg*innen vom IFT (Institut für Therapieforschung) eine eigene Publikation dazu verfasst. Und dann dachten wir uns: Wenn wir uns schon die Ergebnisse zu „sex“ anschauen, dann können wir doch „gender“ gleich mituntersuchen. Beim Durchforsten der Literatur mussten wir dann allerdings feststellen, dass die Bezeichnungen „sex“ und „gender“ in den Studien ziemlich durcheinandergebracht wurden. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Begriffe: „Sex“ bezeichnet die biologischen Aspekte des Geschlechts, wie zum Beispiel die Genetik, anatomische Merkmale oder den Hormonhaushalt. Unter „gender“ wiederum versteht man die sozialen Aspekte des Geschlechts, die von Normen und unserer Kultur geprägt werden. Wir haben in unserem Methodenkoffer eine interessante Abbildung dazu, mit dem Titel „Genderbread Person“. Darüber lassen sich die Unterschiede zwischen Genderidentität, Genderausdruck, biologischem Geschlecht und sexueller Orientierung auf einen Blick erfassen.

Um genau solche Inhalte praxisnah aufzubereiten und erstmal über die Konzepte „sex“ und „gender“ aufzuklären, haben wir den Methodenkoffer entwickelt. Unser Ziel war es dabei, einen praktischen Nutzen für die Beratung vor Ort zu schaffen.

Wie unterscheidet sich eine gendersensible Beratung von einer Beratung, bei der dieser Aspekt nicht beachtet wird?

Bei einer gendersensiblen Beratung reflektieren sowohl die Suchtfachkräfte als auch die jeweilige Institution im Allgemeinen, wie „gender“ in ihrer Arbeit und bei der Beratung gelebt wird. Denn ob man will oder nicht, „gender“-Vorstellungen beeinflussen unser Agieren und finden somit auch Einzug in die Behandlung der Klient*innen. Ein eindrückliches Beispiel aus unserem Buch ist die Beratung einer glücksspielsüchtigen, arbeitslosen Mutter und die eines glücksspielsüchtigen, arbeitslosen Vaters: Hier ist es wichtig, unabhängig von Gender-Stereotypen (z.B. „Frau-Sein“ = Familienarbeit und „Mann-Sein“ = Hauptverdiener) bei beiden Personen sowohl die Versorgung der Kinder als auch die Arbeitslosigkeit zu thematisieren.

An wen richtet sich der Methodenkoffer?

Natürlich vornehmlich an Suchtfachkräfte aus dem Glücksspielbereich, aber auch an alle Interessierten, die sich dem Unterschied zwischen „sex“ und „gender“ beschäftigen wollen. Die im Methodenkoffer enthaltenen Übungen für die Praxis sind für andere Beratungskontexte, die „gender“ miteinbeziehen möchten, leicht übertragbar.

Glauben Sie, dass es von Fachkräften auch Vorbehalte gegenüber einer gendersensiblen Beratung geben könnte?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben auch schon Stimmen gehört, die mit „gender“ eher eine Sternchen- oder Doppelpunktvorschrift sowie einen vergänglichen Hype verbinden. Bedenken sind unserer Meinung nach immer okay und können überwunden werden, indem man sie offen äußert, sich mit dem Thema auseinandersetzt und in den Dialog tritt. Und wenn man sich z.B. gerade nicht sicher ist, ob man das Thema „gender“ in einem spezifischen Beratungsfall ansprechen soll bzw. ob es eine Rolle spielt, kann das direkte Fragen der Klient*innen das Problem lösen.

Haben Sie schon Rückmeldungen aus der Praxis erhalten, wie gut die Umsetzung der Methoden gelingt?

Leider haben wir hierzu bisher nur wenig Rückmeldung erhalten. Wir sind über konstruktives Feedback natürlich immer dankbar. Unsere Kolleg:innen vom IFT werden dazu aber noch eine Befragung der Suchteinrichtungen in Bayern durchführen, die für 2025 geplant ist. Wir sind gespannt.

Warum ist Ihnen persönlich das Thema „Gendersensible Glücksspielberatung“ wichtig?
Ich denke, weil man noch zu wenig über das soziale Konstrukt „gender“ in diesem Kontext erforscht hat und ich grundsätzlich ein neugieriger Mensch bin. Wenn man Licht in unerforschte Gebiete der Wissenschaft bringt, können wir die gewonnenen Erkenntnisse direkt in Form von angepassten Interventionen den Betroffenen zugutekommen lassen. Das ist ja unser Kernziel. Wenn in wissenschaftlichen Bereichen wie z.B. in der Medizin der Aspekt „gender“ gezielt berücksichtigt wird, frage ich mich, warum „gender“ in der Suchtforschung oder eben der Glücksspielforschung nicht auch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte?

Danke für die Beantwortung unserer Fragen, Frau Häffner.

Der Methodenkoffer kann direkt beim Verlag käuflich erworben werden.

  • Gartner, C., Bickl, A., Härtl, S., Loy, J. K., & Häffner, L. (2022). Differences in problem and pathological gambling: A narrative review considering sex and gender. Journal of Behavioral Addictions, 11(2), 267-289. https://doi.org/10.1556/2006.2022.00019
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