Glücksspielsucht bei älteren Menschen
Im Februar dieses Jahres widmete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung dem Thema „Senioren und Glücksspiele" einen ganzseitigen Artikel. „Wer Spielhallen und Casinos betritt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch graue Haare sehen," schreibt der Autor und erzählt die Geschichte einer 73-jährigen Frau, die im Rentenalter mit dem Spielen angefangen und mittlerweile viel Geld verloren hat.
Nicht nur junge Männer haben Spielprobleme
Jung und männlich – so stellen sich wohl die meisten den „klassischen“ pathologischen Glücksspieler vor. Da ist auch etwas dran: Ca. 85 Prozent der Menschen mit Spielproblemen sind männlich und immerhin 23 Prozent fallen in die Altersgruppe bis (einschließlich) 25 Jahre. Zum Vergleich: Bei „unproblematisch Spielenden“ beträgt der Männeranteil knappe 55 Prozent und nur etwa 12 Prozent sind maximal 25 Jahre alt.
Bei dieser Betrachtung geraten allerdings schnell die vielen anderen aus dem Fokus, die ebenfalls mehr spielen, als ihnen (und ihren Familien) gut tut: zum Beispiel Frauen und eben auch ältere Menschen, die die Kontrolle über ihr Spielverhalten verloren haben.
Wenn der Ruhestand zur Herausforderung wird
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) veröffentlicht regelmäßig repräsentative Studien zum Glücksspielverhalten in der Bevölkerung. Bis vor kurzem wurden Menschen im Alter bis 65 Jahren befragt. Im Jahr 2015 wurde die Altersgruppe dann erstmals erweitert. Seitdem werden auch bis (einschließlich) 70-jährige Menschen bei der Studie berücksichtigt. Die BZgA begründet die Ausdehnung des Altersspektrums mit „dem gesellschaftlichen Trend einer auch in höheren Altersgruppen anhaltenden aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und damit potenziell auch am Glücksspiel“.
Viele Menschen haben nach ihrem Rentenbeginn noch viele Lebensjahre vor sich. Eine Zeit, die viele herbeisehnen, die für so manche aber auch zur Herausforderung wird – gerade zu Beginn, in der Phase der Umstellung vom Erwerbsleben zum Ruhestand.
Risikofaktoren für Sucht im höheren Lebensalter
Hat zuvor meist noch die Arbeit dem Tag Struktur und Inhalt (vor-)gegeben, steht nun oft mit einem Mal viel Zeit zur freien Verfügung. Diese wird zum Teil der Familie gewidmet, einige engagieren sich auch für einen sozialen Zweck, entdecken alte Hobbys wieder oder sind anderweitig aktiv. Andere wiederum können erst einmal nicht viel mit sich und ihrer Zeit anfangen, erleben immer wieder längere Phasen der Langeweile und empfinden das „Mehr an Zeit“ (und erforderter Selbstbestimmung) eher als Last denn als Bereicherung.
Wenn dann noch hinzukommt, was in der Stressforschung als „kritische Lebensereignisse“ bezeichnet wird, wie etwa eine Krankheit oder der Tod des Partners/der Partnerin, steigt Fachleuten zufolge das Risiko für einen verstärkten Konsum von Suchtmitteln – und auch für die sogenannten „Verhaltenssüchte“, darunter das pathologische Spielen.
Spielhalle: unter Leuten und doch alleine
Spielhallen haben – abgesehen von wenigen Stunden in der Nacht und wenigen Feiertagen im Jahr – praktisch rund um die Uhr geöffnet. Ein paar Münzen einwerfen und schon ist man in einer anderen Welt. Zwar sind die Spielenden in erster Linie mit sich und dem Automaten beschäftigt. In der Spielhalle oder im Casino zu sein, fühlt sich jedoch allemal geselliger an, als wenn man alleine zu Hause ist. Zumindest ist man „unter Leuten“ und öfters entwickeln sich dort auch Bekanntschaften, manchmal sogar Freundschaften.
(Glücks-) Spielstätten sind Orte, die Ablenkung vom Alltag und auch einen gewissen sozialen Anschluss versprechen: Vor diesem Hintergrund wird nachvollziehbar, warum (auch) ältere Menschen Casinos und Spielhallen aufsuchen – dann aber dort oft mehr Zeit verbringen und Geld ausgeben, als sie anfangs geplant haben.
Die Spielhalle wird das zweite Zuhause
Beschäftigte in Spielhallen und Spielcasinos berichten immer wieder darüber, wie bei so manchen älteren Kundinnen und Kunden aus dem sporadischen Spielen regelmäßige Besuche und dann irgendwann Daueraufenthalte werden: Dann stehen die betroffenen Menschen oft schon eine halbe Stunde, bevor die Spielhalle aufmacht, vor der Tür, weil es sie zum Automaten zieht – und müssen abends aufgefordert werden, wieder zu gehen. Die Automatenhalle wird für sie ein „zweites Zuhause“.
Und schneller als viele glauben wird die Grenze zwischen harmlosem Freizeitvergnügen und selbstschädigendem Verhalten überschritten – natürlich nicht nur, aber eben auch bei älteren Menschen.
Fazit: Das Thema (Glücksspiel-) Sucht betrifft alle Altersgruppen. Kritisch wird es besonders dann, wenn Menschen sich überfordert fühlen und ihnen Unterstützung, zum Beispiel über die Familie oder den Freundeskreis, fehlt. Beratungsangebote stehen allen Menschen offen, die sich Gedanken oder eventuell bereits Sorgen über ihr Spielverhalten machen und natürlich auch allen Angehörigen von Personen mit Spielproblemen.
Quellen:
Artikel „Bist du schon so lange hier!“ aus Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18. Februar 2018, Nr. 7
Haß, Wolfgang & Lang, Peter (2016). Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2015 und Trends. Forschungsbericht der BZgA. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.