Keine reine Männerdomäne mehr – Frauen und Glücksspiel
„Alles verzockt – wenn Glücksspiel das Leben ruiniert“ lautete der Titel einer kürzlich im Norddeutschen Rundfunk ausgestrahlten Radiosendung, die sich dem Thema „Glücksspielsucht bei Frauen“ widmete. Zu Wort kamen darin unter anderem betroffene Frauen, eine Suchtexpertin sowie ein Glücksspielanbieter. Allgemeiner Tenor der Sendung: Der weibliche Anteil unter den Glücksspielenden nimmt zu.
Spielhallen richten sich vermehrt an eine weibliche Zielgruppe
So berichtete beispielsweise der Mitarbeiter eines umsatzstarken Glücksspielanbieters, dass sich ihre Kundengruppen verändert hätten und führte aus, was er damit meint: „Unser Frauenanteil liegt bundesweit bei über 30 Prozent mittlerweile.“
Suchtexpertin Gisela Alberti, Leiterin der Aktiven Suchthilfe e.V., erzählt in der Sendung von ihren eigenen Beobachtungen in Spielhallen: „Ich war erschrocken darüber, wie viele Frauen jetzt an den Automaten sitzen, es waren teilweise mehr als Männer.“. Und Susanne, eine 42-jährige Automatenspielerin, stellte nach einer mehrjährigen Spielpause fest, „dass mittlerweile wirklich viele Frauen zum Spielen (in die Spielhalle) kommen.“. Sie lieferte auch gleich eine Erklärung für die gestiegene Attraktivität von Spielhallen für die weibliche Zielgruppe: „Die Hallen selber sind heller geworden, freundlicher. Viele sind mit Internetcafés verbunden. Das lässt viele Frauen zum ersten Mal hereinkommen.“.
Immer mehr Frauen an Automaten und Roulettetischen – kann diese Beobachtung auch durch wissenschaftliche Daten gestützt werden?
Weniger Glücksspielerinnen insgesamt ...
Eine von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Auftrag gegebene Studie fand heraus, dass die Zahl der Frauen, die in den zurückliegenden zwölf Monaten an einem Glücksspiel teilgenommen haben, zuletzt eher abgenommen hat. Während im Jahr 2007 noch genau die Hälfte der weiblichen Befragten (50 Prozent) angab, innerhalb der letzten zwölf Monate gespielt zu haben, lag dieser Prozentsatz im Jahr 2011 noch bei 45 Prozent.
… dafür aber Anstieg bei jungen Frauen ...
Weibliche Jugendliche holen dagegen bei der Nutzung von Glücksspielen deutlich auf. So lag im Jahr 2009 der Anteil der 16- bis 17-jährigen – also noch minderjährigen – Mädchen mit Glücksspielerfahrungen noch bei 16 Prozent. Zwei Jahre später gaben dann schon 27 Prozent von ihnen an, in den letzten zwölf Monaten ein Glücksspiel gespielt zu haben. Die Zahl der glücksspielenden Mädchen ist also stark angestiegen.
... und bei Automatenspielerinnen
In der Radiosendung ging es vor allem um Frauen, die an Automaten in Spielhallen und Gaststätten spielen. Und tatsächlich ist die Zahl der Automatenspielerinnen in den letzten Jahren gestiegen. Nach den Daten der BZgA haben im Jahr 2011 1,2 Prozent der Frauen in Deutschland in den zwölf Monaten vor der Befragung an einem Automaten gespielt. Gegenüber 2007 (0,7 Prozent) hat sich dieser Prozentsatz damit fast verdoppelt. In einigen – abermals verstärkt in den jüngeren – Altersgruppen fiel die Zunahme besonders stark aus.
So stieg bei den 18- bis 20-jährigen der Anteil der Frauen mit Glücksspielerfahrung in den zurückliegenden zwölf Monaten von 2,4 Prozent (2007) auf 5,8 Prozent (2011). Beim Automatenspiel handelt es sich um eine besonders riskante Form des Glücksspiels: Die früher als Groschengräber bezeichneten Automaten sind heute moderne High-Tech-Geräte mit einem hohen Suchtfaktor.
Frauen mit Glücksspielproblemen holen sich erst spät Hilfe
Bei den meisten Frauen, die sich wegen einer Glücksspielproblematik an eine Beratungsstelle in Hamburg wenden, steht ebenfalls das Automatenspiel im Vordergrund. 87 Prozent von ihnen benennen das Spielen an Geldspielautomaten als ihr „Hauptproblem“ bzw. den Anlass für eine Beratung. Das geht aus dem Bericht des Vereins BADO (Basisdokumentation im Suchtbereich) hervor.
Der BADO-Bericht macht auch deutlich, dass sich ein problematisches Spielverhalten bei weiblichen Automatenspielerinnen früher zeigt als bei Männern. Nach durchschnittlich zwei Jahren werden bei ihnen erste Anzeichen für ein problematisches Spielen erkennbar, bei Männern sind diese im statistischen Mittel nach etwa 3,5 Jahren zu beobachten.
Und dann vergehen bei den spielenden Frauen noch einmal durchschnittlich über zwölf Jahre, bis sich die Betroffenen Hilfe holen. Bei den Männern sind es übrigens zehn Jahre – immer noch ein zu langer Zeitraum, in dem sich die Belastung durch die Glücksspiele meist verstärkt. Die Einsätze der Betroffenen erhöhen sich und in der Folge steigt auch ihr Schuldenstand. Die Schwierigkeiten im familiären und beruflichen Umfeld nehmen in dieser Zeit meist ebenfalls zu. Viele Betroffene isolieren sich und werden damit immer schwerer erreichbar für Hilfen von außen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar immer noch deutlich mehr glücksspielende Männer als Frauen gibt. Der Anteil der jüngeren Frauen, die sich an Glücksspielen beteiligen, nimmt jedoch zu, genauso wie die Zahl der Automatenspielerinnen.
Beratung und Information
„Es ist bedenklich, dass gerade eine so riskante Glücksspielart wie das Spiel am Geldspielautomaten für Frauen offenbar attraktiver wird.“, sagt Christiane Lieb, Geschäftsführerin der Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. (HLS). Ihre Empfehlung (nicht nur für spielende Frauen): „Informieren Sie sich über die Risikofaktoren von Glücksspielen und meiden Sie riskante Glücksspiele. Zu den besonders riskanten Spielen zählen unter anderem Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten, Glücksspielautomaten in Spielbanken / Kasinos (Kleines Spiel), Glücksspiele in Spielbanken / Kasinos (Großes Spiel), Sportwetten, Online-Glücksspiele und Keno.“
„Frauen, die bereits regelmäßig an Glücksspielen teilnehmen, sollten ihr Spielverhalten kritisch prüfen und neben dem Einlegen längerer Spielpausen sich möglichst frühzeitig an eine Beratungsstelle wenden“, rät Christiane Lieb.
Als gute erste Anlaufstelle hat sich auch die Helpline Glücksspielsucht bewährt. Die Expertinnen und Experten am Telefon sind unter 040 23934444 von montags bis donnerstags in der Zeit zwischen 10.00 und 18.00 Uhr sowie freitags von 10 bis 15 Uhr (zum Ortstarif aus dem deutschen Festnetz) für Sie erreichbar.
Quellen:
http://www.ndr.de/info/programm/sendungen/frauenforum/gluecksspiel239.html
Bericht „Suchthilfe in Hamburg - Statusbericht 2011 der Hamburger Basisdatendokumentation in der ambulanten Suchthilfe und der Eingliederungshilfe“, Autoren: Sven Buth, Uwe Verthein, Christian Schütze,
Eike Neumann-Runde, Marcus-Sebastian Martens; abrufbar unter http://www.bado.de/
Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland 2007, 2009 und 2011 - Ergebnisse aus drei repräsentativen Bevölkerungsbefragungen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln).