In der Mehrzahl männlich und oft verschuldet: Das Glücksspiel-Klientel in der Hamburger Suchthilfe
Wie häufig werden die Angebote von Hamburger Suchthilfeeinrichtungen in Anspruch genommen und welche Probleme und Fragestellungen stehen dabei im Vordergrund? Zuverlässige Antworten auf diese Fragen liefert seit nunmehr 24 (!) Jahren der jährlich erscheinende Bericht „Basisdatendokumentation im Suchtbereich“, kurz BADO genannt. Das diesjährige Schwerpunktthema widmet sich „Personen, die in den vergangenen neun Jahren das Hilfesystem erstmals aufsuchten“. Dabei werden die Zeiträume ‚2012-2014‘, ‚2015-2017‘ und ‚2018-2020‘ miteinander verglichen. Die Zahlen beziehen sich jeweils auf neue Klient*innen in zuwendungsgeförderten Suchtberatungsstellen in Hamburg.
Glücksspiel-Klientel in der Hamburger Suchthilfe ist größtenteils männlich
Über alle drei Zeiträume hinweg stellen Menschen mit Alkoholproblemen die jeweils größte Klientel-Gruppe, gefolgt von Cannabis-Konsument*innen und Menschen aus dem Umfeld von Personen mit Suchtproblemen. Bei etwa fünf Prozent aller (neuen) Klientinnen steht ein problematischer oder pathologischer Umgang mit Glücksspielen im Vordergrund der Beratung. Seit 2012 ist dieser Prozentanteil[1] insgesamt stabil geblieben.
Ebenfalls konstant seit neun Jahren: Etwa neun von zehn Personen, die wegen Glücksspielproblemen eine Betreuung in Anspruch nehmen, sind männlich. Das Durchschnittsalter des Glücksspiel-Klientels liegt in der aktuellen Beobachtungsperiode (2018 bis 2020) bei 32 Jahren und damit nur knapp unter dem Altersdurchschnitt in den Jahren davor (ca. 33 Jahre). 38,3 Prozent der Klient*innen haben einen Migrationshintergrund.
Durchschnittliche Betreuungsdauer: 112 Tage
In der aktuellen Beobachtungsperiode (2018 bis 2020) lag die durchschnittliche Dauer der Betreuungen im Bereich Glücksspiel bei 112 Tagen. Im Rahmen dieser Betreuungen fanden im Schnitt 7,3 Kontakte zwischen Klient*innen und Berater*innen statt.
Der weit überwiegende Teil der Betreuungen im Bereich Glücksspiel wird ohne Auflagen durch die Justiz aufgenommen. Im Zeitraum 2018 – 2020 lag der Anteil der Betreuungen mit einer solchen Auflage bei lediglich 5,2 Prozent. Damit ist dieser Prozentsatz gegenüber den Vergleichszeiträumen zwar angestiegen (3,2 Prozent in ‚2012 bis 2014‘ und 4,1 Prozent in ‚2015 bis 2017‘). Dennoch ist eine Betreuung in Folge einer justiziellen Auflage immer noch eher die Ausnahme als die Regel (jede 20. Betreuung im aktuellen Zeitraum).
Bei Betreuungsbeginn: Knappe Mehrheit möchte mit dem Spielen ganz aufhören
Die Hälfte aller Betreuungen im Bereich Glücksspiel (50,3 Prozent) werden regulär abgeschlossen, damit ist dieser Anteil gegenüber den zurückliegenden Vergleichszeiträumen angestiegen (46,6 bzw. 40,7 Prozent). In der aktuellen Beobachtungsperiode werden bei rund 15 Prozent der Fälle die Klient*innen an andere Hilfsangebote weiter vermittelt. Die Kontaktabbruch-Quote liegt momentan bei 39,3 Prozent und damit niedriger als in den zurückliegenden Jahren (44,2 bzw. 48,7 Prozent).
Mit dem Spielen ganz aufhören: Das ist das Ziel von knapp 56 Prozent der Klient*innen bei Betreuungsbeginn. Gegenüber den Vorjahren ist dieser Anteil angestiegen (49,4 bzw. 51,6 Prozent).
6 von 10 Klient*innen haben Schulden
Die Daten der Hamburger Basisdatendokumentation geben auch Aufschluss darüber, in welchem Alter die Klient*innen angefangen haben zu konsumieren. Beim Konsum von Alkohol und Cannabis liegt der Einstieg mit 15,5 bzw. 15,6 Jahren noch im Jugendalter. Mit Glücksspielen beginnt die betreute Klientel dagegen später, im Durchschnittsalter von 23,5 Jahren. Der geschätzte Störungsbeginn liegt bei 27,9 Jahren. Jede*r fünfte Glücksspiel-Klient*in (20,8 Prozent) ist im Betreuungszeitraum arbeitslos (gewesen). Dieser Anteil ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, liegt aber immer noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt in der Bevölkerung.
Jede*r zehnt*e Klient*in berichtet über eine prekäre Wohnsituation. Rund 60 Prozent von ihnen haben Schulden, eine Schuldenregulierung ist bei knapp 42 Prozent der Betreuungen notwendig.
Weniger Betreuungen im Frühjahr 2020, Anstieg im Sommer
Seit bald zwei Jahren stellt die Corona-Pandemie unser Leben auf den Kopf. Im Frühjahr 2020 zeigte sich ein Rückgang bei den Betreuungen in der Hamburger Suchthilfe. Wir erinnern uns: In dieser Zeit standen große Teile des öffentlichen Lebens still und es sollten möglichst wenige Kontakte zwischen Mensch und Mensch stattfinden. Der Rückgang der Betreuungsfälle aus dem Frühjahr konnte im Sommer jedoch größtenteils wieder ausgeglichen werden.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die anhaltende Pandemie auf die Betreuungen im Jahr 2021 auswirken wird. Der BADO-Bericht 2021 wird die entsprechende Datenlage erfassen und aufbereiten – dann in der 25. (Jubiläums-) Ausgabe. Wir werden darüber berichten.
Einstweilen wünschen wir Ihnen einen guten Start in das neue Jahr. Bleiben Sie gesund!
Das Team von Automatisch Verloren
Quelle: BADO e.V. Martens, M., Neumann-Runde E. (2021). Suchthilfe in Hamburg Statusbericht der Hamburger Basisdatendokumentation 2020; Herausgeber: BADO e.V.; abrufbar unter https://www.bado.de/
[1] Zwar werden in dem Bericht an einigen Stellen Menschen mit Glücksspielproblemen und solche mit exzessivem Mediengebrauch in einer Kategorie Hauptproblemgruppe „Glücksspiel/ Medien“ zusammengefasst. Menschen mit Glücksspielproblemen dominieren diese Kategorie jedoch, das heißt „Pathologisches oder Problematisches Glücksspielen“ wird im Vergleich zum exzessivem Mediengebrauch deutlich häufiger als Hauptproblem benannt. Aus diesem Grund können aus den im Bericht aufgeführten Daten aus der Kategorie „Glücksspiel/ Medien“ aussagekräftige Schlussfolgerungen über die Klientel mit Glücksspielproblemen abgeleitet werden.